Rechtsprechung zu strategischen Publikationen

Da es keine direkten gesetzlichen Vorgaben gibt, wie eine strategische Publikation durchzuführen ist, um rechtlich wirksam zu sein, ergeben sich verschiedene Anforderungen aus dem Gesamtbild der Recht­spre­chung zu diesem Thema. Im Folgenden sind einige Entscheidungen zitiert, die die Thematik betreffen:

Beschwerdekammer des EPA

T 381/87 vom 10.10.1988

In diesem Fall wurde die öffentliche Zugänglichkeit eines Aufsatzes verhandelt, der in der Zeitschrift "Chemnical Communications" erschienen war. Aufgrund des Artikels wurde eine Patentanmeldung wegen fehlender Neuheit zurückgewiesen. Die Beschwerdekammer entschied, dass die öffentliche Zugänglichkeit der Zeitschrift mit dem Tag gegeben war, an dem sie in einer einzelnen Bibliothek für jedermann auf Antrag einsehbar gewesen ist. Sie war weder im Bibliotheksregister eingetragen noch im Freihandbereich der Bibliothek zur Einsicht ausgelegt. Die Richter betonten, dass die öffentliche Zugänglichkeit eines Dokuments nicht darauf ankommt, ob ein Mitglied der Öffentlichkeit tatsächlich von der Zugänglichkeit des Dokuments wusste oder Kenntnis von diesem genommen hat. Die Bescherdekammer führt weiter aus, dass es sich bei der Zeitschift Chemnical Communications um ein regelmäßig erscheinendes Druckwerk mit den aktuellsten Beiträgen zur Chemie handele, welches "als Forum für erste Berichte über neue, wichtige Arbeiten aus allen Bereichen der Chemie" diene und als solches bekannt sei.

T 444/88 vom 9.5.1990

In diesem Fall stand der Patentfähigkeit ein Ausführungsbeispiel entgegen, welches in einer japanischen Patentanmeldung enthalten war. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Anmeldung war das maßgebliche Ausführungsbeispiel allerdings noch nicht Teil der Anmeldungsunterlagen. Es wurde erst drei Jahre nach der Anmeldungsveröffentlichung im Rahmen einer Anmeldungsänderung in die Unterlagen aufgenommen. Und erst nach einem weiteren Jahr wurde tatsächlich erstmals Akteneinsicht genommen. Nach Ansicht der Be­schwer­de­kam­mer wurde das Ausführungsbeispiel mit dem Tage seiner Aufnahme in die Patentanmeldung ebenfalls öffentlich zugänglich, denn es komme lediglich darauf an, dass das Dokument mit diesem Zeit­punkt tatsächlich verfügbar war und nicht, wann tatsächlich erstmals Einsicht genommen wurde. 

T 314/99 vom 21.06.2001

Die Beschwerdekammer stellt fest, dass eine Diplomarbeit nicht schon durch ihre Aufnahme in das Archiv der Bibliothek des Fachbereichs Chemie der Universität Hamburg öffentlich zugänglich sei, da dies nicht bedeutet habe, dass sie zu diesem Zeitpunkt katalogisiert oder anderweitig für die Kenntnisnahme durch die Öffentlichkeit vorbereitet gewesen sei und die Öffentlichkeit ohne entsprechende Informationsmöglichkeit nicht von ihrer Existenz erfahren würde.

T186/01 vom 25.10.2002

Ein Arbeitsbericht der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft zählt nicht als öffentlich zugänglich, da lediglich der Eingang ins Bibliotheksarchiv nicht aber dessen Katalogisierung oder anderweitige Vorbereitung für die Kenntnisnahme durch die Öffentlichkeit bewiesen werden konnte.

Internationale Rechtsprechung

Fall I.C.E. Corp. v. Armco Steel Corp., 1966 (US District Court SDNY)

In dem Fall I.C.E. Corp. v. Armco Steel Corp. entscheidet der New Yorker District Court (SDNY), dass es zur Bejahung der öffentlichen Zugänglichkeit eines Schriftstücks darauf ankommt, dass es einem beliebigen Durchschnittsfachmann zugänglich gemacht wurde. Allerdings ist die öffentliche Zugänglichkeit nur dann gegeben, wenn das Offenbarungsmittel unter Anwendung zumutbarer Sorgfalt aufgefunden werden kann ("[...] exercising reasonable diligence, can locate it [...]"). Für die öffentliche Zugänglichkeit ist es nicht erforderlich, dass tatsächlich jemand von den offenbarten Informationen Kenntnis genommen hat.

Fall: In re Bayer, 1978 (CCPA, US Court of Customs and Patent Appeals)

Der CCPA entscheidet in diesem Fall, dass die öffentliche Zugänglichkeit eines Dokuments auch dann gegeben ist, wenn nur ein Teil der Öffentlichkeit Zugang zum Dokument hat, solange nur die Annahme gerechtfertigt ist, dass die Fachwelt von dem Dokument hätte Kenntnis nehmen können. Dann jedoch, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass ein Dokument aufgefunden wird, gegen Null tendiert, ist dessen öffentliche Zugänglichkeit zu verneinen. Die öffentliche Zugänglichkeit einer Master Thesis wird zitiert, die zwar in einer Bibliothek eingegangen, jedoch weder indexiert, katalogisiert noch in die Regale eingeräumt worden war. Allerdings wussten drei Mitglieder des Prüfungsausschusses von der Existenz der Master Thesis und hätten dieses Wissen erlaubtermaßen jederzeit an Dritte weitergeben können. Hier entschied das Gericht, dass die Öffentliche Zugänglichkeit zu verneinen ist, da die tatsächliche Auffindbarkeit gegen Null tendiert.

Fall: In re Hall, 1986 (CCPA, US Court of Appeals for the Federal Circuit)

In diesem Fall, in welchem ein einzelnes Doktorarbeitsexemplar in die Regale der Universitätsbibliothek Freiburg eingeordnet wurde und im Dissertationskatalog indexiert wurde, bejahte der CAFC die öffentliche Zugänglichkeit, da er annahm, dass die Fachwelt von der Dissertation hätte Kenntnis nehmen können.