Internationaler Vergleich

Da international unterschiedliche rechtliche Regelungen gelten, die die territoriale Wirksamkeit von strategischen Publikationen beeinflussen, sind nachfolgend die wesentlichen patentrechtlichen Hintergründe für die The­ma­tik der strategischen Publikation für Europa, die USA und Japan dargestellt – die drei Regionen der Welt mit den stärksten Patentaktivitäten.

Europa

Patentierbare Erfindung (EPÜ Art. 52): Europäische Patente werden für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik erteilt, sofern sie neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich an­wend­bar sind.

Neuheit (EPÜ Art. 54): (1) Eine Erfindung gilt als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört.

Stand der Technik (EPÜ Art. 54): (2) Den Stand der Technik bildet alles, was vor dem Anmeldetag der europäischen Patentanmeldung der Öffentlichkeit durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung oder in sonstiger Weise zugänglich gemacht worden ist. (3) Als Stand der Technik gilt auch der Inhalt der europäischen Patentanmeldungen in der ursprünglich eingereichten Fassung, deren Anmeldetag vor dem in Absatz 2 genannten Tag liegt und die erst an oder nach diesem Tag veröffentlicht worden sind.

Erfinderische Tätigkeit (EPÜ Art. 56): Eine Erfindung gilt als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Gehören zum Stand der Technik auch Unterlagen im Sinn des Artikels 54 Absatz 3, so werden diese bei der Be­ur­tei­lung der erfinderischen Tätigkeit nicht in Betracht gezogen.

Amtsseitige Veröffentlichung: Patentanmeldungsunterlagen nach 18 Monaten.

Neuheitsschonfrist: nein.

Prüfung auf Neuheit: für die Prüfung gilt der gesamte Stand der Technik, einschließlich unveröffentlichte Patentanmeldungsunterlagen (vor Ablauf der 18 Monate).

Prüfung auf erfinderische Tätigkeit: Stand der Technik ohne unveröffentlichte Patent­an­mel­dungs­un­ter­la­gen.

Hervorbringen einer strategischen Publikation im europätischen Patentrecht:

1) Vor Erteilung eines Drittpatents als Einwendung iSd. Art. 115 EPÜ vor dem EPA.

2) Nach Erteilung eines Drittpatents.

  • Im behördlichen Verfahren. Innerhalb einer Frist von neun Monaten nach der Bekanntmachung des Patenterteilungshinweises von jedermann im zentralen Einspruchsverfahren vor dem EPA (Art. 99 I EPÜ).
  • Im gerichtlichen Verfahren. Nach Ablauf der Einspruchsfrist im Wege einer nationalen Nichtigkeitsklage.

United States of America

Inventions patentable (35 USC; US-PatG, §101): Whoever invents or discovers any new and useful pro­cess, machine, manufacture, or composition of matter, or any new and useful improvement thereof, may obtain a patent therefor, subject to the conditions and requirements of this title.

Conditions for patentability; novelty and loss of right to patent (§102): A person shall be entitled to a patent unless (a) the invention was known or used by others in this country, or patented or described in a printed publication in this or a foreign country, before the invention thereof by the applicant for patent [...].

Period preclusive of prejudice to novelty (§102): A person shall be entitled to a patent unless (b) the invention was patented or described in a printed publication in this or a foreichn country or in public use or on sale in this country, more than one year prior to the date of the application for patent in the United States [...].

Amtsseitige Veröffentlichung: Patentanmeldungsunterlagen nach 18 Monaten.

Neuheitsschonfrist: ja, ein Jahr.

Prüfung auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit: für die Prüfung gilt der gesamte Stand der Technik, einschließlich unveröffentlichte Patentanmeldungsunterlagen (vor Ablauf der 18 Monate).

Hervorbringen einer strategischen Publikation im US-amerikanischen Patentrecht:

1) Vor Erteilung eines Drittpatents:

  • Während der Anhänigkeit einer Patentanmeldung bis zu ihrer Veröffentlichung als Protest gern. § 1.291 Patent Rules vor dem USPTO.
  • Nach der Veröffentlichung der US-Patentanmeldung innerhalb von zwei Monaten als prüfungsrelevante Information nach § 1.99 Patent vor dem USPTO.

2) Nach Erteilung eines Drittpatents:

  • Im behördlichen Verfahren: Ohne zeitliche Beschränkung im Rahmen der reexamination nach den §§ 301-318 US-PatG vor dem USPTO.
  • Im gerichtlichen Verfahren: 
    1. Mittels einer declatory judgement suit gem. 28 U.S.C. § 2201 vor einem US Federal District Court. 
    2. Als defense of invalidity nach § 282 II (2) US-PatG bei der Verteidigung gegen eine Patentverletzungsklage. 
    3. Mittels einer counterclaim als selbstständiger Angriff gegen eine Patentverletzungsklage.

Besonderheit "Statutory Invention Registration (SIR)": Offizielle Möglichkeit der Einreichung von De­fen­siv­pu­bli­ka­tio­nen beim USPTO. Aufwändiges und langwieriges Verfahren, das sich aufgrund ver­schie­de­ner Nachteile bisher nicht durchgesetzt hat. 

Japan

Conditions for Patentability (JPatG, Gesetz Nr. 121, §29):
(1) An inventor of an invention that is industrially applicable shall be entitled to obtain a patent for the said invention, except for the following: (i) inventions that were publicly known in Japan or a foreign country, prior to the filing of the patent application; (ii) inventions that were publicly worked in Japan or a foreign country, prior to the filing of the patent application; (iii) inventions that were described in a distributed publication, or inventions that were made publicly available through a telecommunications line in Japan or a foreign country, prior to the filing of the patent application.

(2) Where, prior to the filing of the patent application, a person ordinarily skilled in the art of the invention would have been able to easily make the invention based on an invention prescribed in any of the pa­ra­graphs of the preceding subsection, a patent shall not be granted for such an invention notwithstanding the preceding subsection. [...]

Exception to lack of novelty of invention (JPatG, Gesetz Nr. 121, §30): (1) In the case of an invention which has fallen under any of the paragraphs of Section 29(1) by reason of the fact that the person having the right to abtain a patent has conducted a test, has made a presentation in a printed publication, has made a presentation through electric telecommunications lines, or has made a presentation in writing at a study meeting held by an academic group designated by the Commissioner of the Patent Office, such invention shall be deemed not have fallen under any of the pa­ra­graphs of Section 29(1) for the purposes of Section 29(1) and (2) for the invention claimed in a patent application which has been filed by the said person within six month from the date on which the invention first fell under any of those paragraphs. [...]

Amtsseitige Veröffentlichung: Patentanmeldungsunterlagen nach 18 Monaten.

Neuheitsschonfrist: ja, sechs Monate.

Prüfung auf Neuheit: für die Prüfung gilt der gesamte Stand der Technik, einschließlich unveröffentlichte Patentanmeldungsunterlagen (vor Ablauf der 18 Monate).

Prüfung auf erfinderische Tätigkeit: Stand der Technik ohne unveröffentlichte Patent­an­mel­dungs­un­ter­la­gen.

Hervorbringen einer strategischen Publikation im japanischen Patentrecht:

1) Vor Erteilung eines Drittpatents:

Ab Anhängigkeit der japanischen Patentanmeldung als prüfungsrelevante Information gem. 13 JPatG-AO vor dem JPO.

2) Nach Erteilung eines Drittpatents:

  • Im behördlichen Verfahren mit dem Nichtigkeitsverfahren nach § 123 JPatG vor der Beschwerdekammer des JPO.
  • Im gerichtlichen Verfahren:
    1) Als Argument gegen eine Patentverletzungsklage (vgl. § 104 (1) JPatG), wobei der daraufhin ergehende Entscheidung nur relative Rechtskraftwirkung zukommt.
    2) Mittels einer Feststellungsklage auf Feststellung der Nichtverletzung des Patents, die allerdings nur bei Entscheidungsreife des Rechtsstreits zulässig ist und in deren Rahmen nicht über die Gültigkeit des Patents zu eintscheiden wäre.