Was zählt zum Stand der Technik

Stand der Technik ist konzeptionell in jedem Patentrechtssystem vorhanden. Gemäß deutschem Pa­tent­ge­setz umfasst der Stand der Technik "alle Kenntnisse, die vor dem für den Zeitrang der Anmeldung maß­geb­lich­en Tag durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung oder in sonstiger Weise der Öf­fent­lich­keit zugänglich gemacht worden sind." (§3, Abs. 1, PatG)

Die Territorialität des Patentrechts und die Vielzahl an verschiedenen Schutzrechtsformen und ent­sprech­en­den Vorschriften führen dazu, dass Stand der Technik nicht immer das Gleiche meint. Schon für die Prü­fung eines deutschen Gebrauchsmusters gilt anderer Stand der Technik:

"Der Stand der Technik umfaßt alle Kenntnisse, die vor dem für den Zeitrang der Anmeldung maßgeblichen Tag durch schriftliche Beschreibung oder durch eine im Geltungsbereich dieses Gesetzes erfolgte Benutzung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind." (§3, Abs. 1, GebrMG)

Dieses Beispiel macht deutlich, dass für die wirksame, internationale Geltung von strategischen Publikationen viel­fäl­ti­ge Rechtsvorschriften zu beachten sind.

Es können verschiedenste Offenbarungsformen von Stand der Technik gelten. Das Deutsche Patent- und Mar­ken­amt gibt dazu die folgenden Beispiele an:

  • eigene Vorveröffentlichungen, Publikationen
  • Vorträge, Poster
  • Forschungsanträge, Diplom- und Studienarbeiten (sofern veröffentlicht)
  • Promotionen, Abschlussberichte (sofern veröffentlicht)
  • Führungen, Ausstellungen auf Messen
  • Presseveröffentlichungen
  • Bedienungsanleitungen
  • der Öffentlichkeit bekannte Vorbenutzung 

Beweisbarkeit von Stand der Technik

Um eine rechtlich verwertbare strategische Publikation zu erzeugen, ist es wichtig, dass die Veröffentlichung tat­säch­lich als Stand der Technik gilt und als solcher nachweisbar ist. Bei vielen der o.g. Formen ist es schwie­rig, einen eindeutigen Nachweis zu führen. Insbesondere im Hinblick auf die Eindeutigkeit des Publikationsdatums sowie den Umfang von offenbarten Details (z.B. innerer Aufbau einer Vorrichtung, Wir­kungs­wei­se) sind viele Formen der Offenbarung von Stand der Technik zur gezielten Durchführung von strategischen Publikationen ungeeignet.

Patente als Stand der Technik

Patente und Offenbarungsschriften gelten als Stand der Technik. Inhalt und Datum von Patenten sind ein­deu­tig nachweisbar. Die Anforderungen an die vollständige Beschreibung der Erfindung sowie der Grad der Recherchierbarkeit sind bei Patenten sehr hoch und können kaum beeinflusst werden.

Patentanmeldungen werden sowohl nach europäischem, US-amerikanischem und japanischem Patentrecht 18 Monate nach ihrer Einreichung veröffentlicht (vgl. Internationale Geltung). Zum Zeitpunkt der Ein­reich­ung der Anmeldungsunterlagen gilt der Inhalt in dem Territorium, in dem Patentschutz angemeldet wird, bereits als neuheitsschädlicher Stand der Technik. Er gilt jedoch weder über dieses Territorium hinaus als solcher noch für Prüfungen auf die "Erfindungshöhe" (naheliegende Erfindungen). Mit der Veröffentlichung nach 18 Monaten gilt das in den Unterlagen beschriebene als vollständig wirksamer Stand der Technik im Sinne einer schriftlichen Veröffentlichung (Ausnahme: In den USA gilt die Stand-der-Technik-Fiktion zum Anmeldungszeitpunkt auch für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit).

Zusätzlich sind die aufwändigen formalen Anforderungen sowie zeitliche und wirtschaftliche Aspekte (hohe Kosten) Gründe gegen Patentanmeldungen, die ausschließlich zur Schaffung von Stand der Technik an­ge­mel­det werden.

Gebrauchsmuster als Stand der Technik

Wie Patente stellen Gebrauchsmuster (und andere Schutzrechte) nachweisbaren, schriftlichen Stand der Tech­nik dar. Auch hier ist die Recherchierbarkeit sehr hoch und kann nicht beeinflusst werden.

Wesentliche Nachteile bei der Nutzung von Gebrauchsmusteranmeldungen zur Schaffung von Stand der Tech­nik sind:

  • Schutzausschließungsgründe (§2 GebrMG), z.B. sind Verfahren per se vom Schutz durch ein Ge­brauchs­mus­ter ausgeschlossen;
  • Verwaltungsaufwand, Fristen;
  • Die Anmeldung dauert mindestens mehrere Monate;
  • Hohe Kosten für die Ausarbeitung (Einhaltung formaler Anforderungen).

Druckschriftliche Veröffentlichung

Verknüpft man die internationalen rechtlichen Vorgaben zum Begriff "Stand der Technik" (vgl. In­ter­na­tio­na­le Gel­tung) mit den praktischen Anforderungen bei der Durchführung von strategischen Publikationen (Nachweisbarkeit des Veröffentlichungsdatums und technischer Details), ist die druckschriftliche Be­schrei­bung eine sehr geeignete Form. Druckschriftlicher Stand der Technik ist international, nicht nur für die Prüfung von Patenten sondern auch für Gebrauchsmuster und andere Schutzrechte, anerkannt und bietet die einfache Möglichkeit der vollständigen Beschreibung von Details sowie eine vergleichsweise einfache Nachweisbarkeit des Veröffentlichungsdatums.

Das das Medium für eine druckschriftliche Veröffentlichung nahezu beliebig ist, zeigt folgendes Beispiel (Quelle: siehe Bildnachweis 1):

Im Jahr 1964 versucht BASF ein Verfahren zur Bergung von Schiffen patentieren zu lassen, bei dem Styropor-Kügelchen in das Schiffswrack gepumpt werden, um den nötigen Auftrieb zu erzeugen. Das Patentamt lehnt aufgrund von neuheitsschädlichem schriftlichem Stand der Technik ab. Donald Duck hatte bereits im Jahr 1949 ein Schiff mithilfe von Tischtennisbällen, die in den Rumpf gepumpt werden, geborgen.

Veröffentlichung im Internet

Die Geltung von Publikationen im Internet als patent- und gebrauchsmusterrechtlicher Stand der Technik ist umstritten. Beispielsweise ist im deutschen Gebrauchsmustergesetzt explizit eine "schriftliche Be­schrei­bung" gefordert und im US-amerikanischen Patentrecht ist eine "printed publication" für ausländischen Stand der Technik gefordert. Es ist nicht höchstrichterlich geklärt, ob eine Online-Publikation als "schriftlich", "mündlich", "beliebige andere Form" oder doch als "druckschriftlich" gilt. 

Dazu sind Webseiten flüchtig und nachträglich veränderbar. Häufig ist es schwierig, das Ver­öf­fent­lich­ungs­da­tum eines bestimmten Inhalts zu belegen. Dazu muss bewiesen werden, dass der Inhalt nachträglich nicht verändert wurde. Mithilfe von speziellen digitalen Beglaubigungs- und Zeitstempelungsverfahren kön­nen Internetseiten jedoch mit einem verlässlichen, nachvollziehbaren Publikationsdatum versehen werden.

International gilt, dass Online-Publikationen Offenbarungsmittel von Stand der Technik sein können, wenn ein nachweisbares Datum vorliegt. Als sicheres, eigenständiges Offenbarungsmittel ist die Online-Publikation jedoch noch umstritten. Als Zusatz zu einer druckschriftlichen Veröffentlichung kann sie den praktischen Akspekt der tatsächlichen Verbreitung erfüllen.

Vorbenutzung auf Messen

Die nachweisbare Vorbenutzung auf Messen und bei Vorträgen schafft unter bestimmten Voraus­setz­un­gen Stand der Technik. Problematisch ist hierbei häufig der Nachweis verwendeter technischer Details und die territorial beschränkte patentrechtliche Geltung einer Vorbenutzung als Stand der Technik. Bei­spiels­wei­se gilt eine in Deutschland durchgeführte Vorbenutzung nicht als Stand der Technik in den USA (vgl. In­ter­na­tio­nale Geltung).